Boardels und der Schinderhannes

Eine kleine Geschichte aus vergangener Zeit... von Rainer Coura
(Achtung! Ziemlich spannend und etwas gruselig...!)

Wie der Schinderhannes den „Boardels“ die Wurst stahl

Der „Schinderhannes“ war ein übler Gesell, ein Räuberhauptmann und ein Mörder. Er war 1779 in Miehlen im Taunus geboren und bei einem Schinder in die Lehre gegangen. Die Schinder waren die Abdecker, die toten Tieren das Fell abzogen. Weil der Hannes Felle gestohlen hatte, musste er fliehen. Von da an zog er raubend durch die Lande. Überall wurde von ihm erzählt, an manchen Orten soll er sogar gleichzeitig gewesen sein.

So ist er eines Tages auch nach Rennerod gekommen. Er hatte Hunger und klopfte bei „Boardels“ (Bartholomäus) an, das war damals eines der ältesten Fachwerkhäuser mitten im kleinen Dorf. Er wollte sich als Wandergesell ausgeben, das hatte in den meisten Fällen geklappt. Die Eingangstür war unverschlossen, jedoch das Haus leer. Er ging hinein und suchte nach etwas Essbarem. Er fand die Räucherkammer unter dem Dach, als unten die Haustür geöffnet wurde.

Schnell kroch er in die Räuberkammer und fraß dort eine „aahl‘ Wurscht“ nach der anderen. Als unten wieder Ruhe im Haus war, steckte er sich zwei Würste unter das Hutband, die Rocktaschen wären zu fettig geworden, schlich die steile Speichertreppe hinunter, stürzte und verrenkte sich ein Bein.

Jammernd und humpelnd trat er vors Haus. Als Leute ihn im „innern Triff“ sahen, liefen sie schreiend davon. Sie dachten, der leibhaftige Teufel wäre erschienen. Das war nicht verwunderlich, denn der Schinderhannes hatte sich ja in die „Herb“, die Räucherkammer gezwängt und war überall, auch im Gesicht, mit Ruß verschmiert und trug am Hut die beiden Würste, die wie zwei Hörner aussahen. Außerdem hinkte er wie der Teufel mit seinem Pferdefuß und machte fürchterliche Stimmen.

Als der Schinderhannes danach über den „Nassauer Weg“ nach Waldmühlen fliehen wollte, traf er den Renneroder Pfarrer. Der wollte nach Limburg, dem Bischof die Kollekte abliefern. Das passte dem Hannes gut, er prügelte den Pastor, bis der ihm den Geldbeutel gab.

Im Hintertaunus wurde der Schinderhannes später gefangen genommen, in Frankfurt verurteilt und 1803 in Mainz hingerichtet.